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Diözesanwallfahrt 2024 auf den Spuren des Heiligen Bischof Otto

Erzbischof Herwig Gössl
Datum:
Veröffentlicht: 4.6.24
Von:
Herwig Gössl

Predigt von Erzbischof Herwig Gössl zum Festgottesdienst zu Ehren des hl. Otto – 23.05.2024 (Kathedrale zu Stettin)

Stettin. Vor 900 Jahren machte sich Bischof Otto von Bamberg auf, um im Gebiet von Pommern den christlichen Glauben zu verkünden. Wir gedenken dieses Jubiläums mit großer Dankbarkeit, und wir Pilger/innen aus Bamberg nahmen in den vergangenen Tagen schon mit Erstaunen wahr, welch lebendige und geradezu liebevolle Verehrung dem hl. Otto noch heute in seinen ehemaligen Missionsgebieten entgegengebracht wird, sogar in evangelischen Kirchen und Gemeinden. Bischof Otto von Bamberg ist tatsächlich ein Brückenbauer zwischen Pommern und Franken, zwischen Polen und Deutschland, aber auch zwischen katholischen und evangelischen Christen. Er war und ist jemand, der Verbindung aufbaut und Verbindung hält, und das ist ganz sicher eine wichtige Fähigkeit, auch für unsere Zeit. Wir brauchen unbedingt mehr Gemeinschaft heute, wo man den Eindruck nicht loswird, dass immer mehr Grenzen und Barrieren (wieder-) aufgerichtet werden zwischen Menschen, Völkern und Nationen. Wir brauchen Menschen, die verbindend wirken, weil ihnen ihre Mitmenschen wichtig sind und sie ihnen Gutes mitgeben und vermitteln wollen. Aus diesem inneren Antrieb heraus hat sich Bischof Otto vor 900 Jahren auf die weite, anstrengende und auch beschwerliche Reise begeben. Er wollte den Menschen in der Fremde das Wichtigste und Kostbarste weitergeben, was er besaß: seinen Glauben an den guten, barmherzigen Gott, der uns Menschen liebt und umfängt mit seiner Güte; der uns so sehr liebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns hingibt. Bischof Otto hat nicht für sich gearbeitet, sich nicht auf Kosten der Menschen bereichert, weder materiell noch geistlich. Ihn treffen die Worte der Lesung aus dem Jakobusbrief nicht, in denen davor gewarnt wird, nur an sich selbst und den eigenen Vorteil zu denken und andere für sich schuften zu lassen. Nein, Bischof Otto war ein Missionar der Frohen Botschaft Jesu, dem es nur darum ging, dass möglichst viele Menschen festen Halt für ihr Leben im christlichen Glauben finden, gestärkt durch die Hl. Schrift und durch die Sakramente.

Wie aber kann das heute gelingen? So frage ich mich, denn eines spüre ich sehr deutlich: Die Bedeutung des christlichen Glaubens, des Glaubens überhaupt nimmt in unserer Zeit immer mehr ab. Immer mehr Menschen leben ohne Gott und vermissen dabei nichts, weil sie überhaupt keine Erfahrungen mit der Dimension des Glaubens gemacht haben. Wie können wir heute den Glauben verbreiten in einer Zeit, die religiös immer unsensibler wird? Denn eines ist klar: Diese Aufgabe ist heute so wichtig wie zu den Zeiten eines Bischofs Otto von Bamberg, und sie ist in Stettin wohl ebenso wichtig wie in Bamberg und an vielen anderen Orten. Und die Frage treibt viele um, wie dieser Glaube, der mir selbst so wichtig und hilfreich für mein Leben geworden ist, an andere weitergegeben werden kann: an die Kinder und Enkel, an die Freunde und Bekannten, an unsere religiös-unmusikalischen Zeitgenossen? Mit welchen Worten und Gesten kann ich diese Menschen heute erreichen? Wie hat ein hl. Otto die Menschen damals erreicht?

Ich bin mir sicher: Die verbindende Kraft des Glaubens kann nur durch verbindliche Zeugen weitergegeben und weitergetragen werden. Nur Menschen, die es ernst meinen und die Ernst machen mit ihrem Glauben, werden als glaubwürdig anerkannt. Nur diejenigen, die immer wieder versuchen, ihren Glauben auch zur Richtschnur ihres alltäglichen Lebens zu machen werden ernstgenommen. Das verlangt das heutige Evangelium in sehr drastischen Worten. Mache Ernst mit deinem Glauben! Lass ihn zu Hand und Fuß und Auge und Mund und Herz werden! Sei ein Christ – ganz und ungeteilt! So würde ich diese harten Worte Jesu verstehen wollen. 

Ein Mensch, der fromm spricht und sich zugleich selbstgefällig und menschenfeindlich verhält, kann niemals jemanden vom christlichen Glauben überzeugen. Wo Glauben und Leben andauernd nicht zusammenstimmen, dort wird auch kein Funke überspringen können. Verbindliche Zeugen des Glaubens können helfen, Menschen miteinander und mit Gott zu verbinden – so wie Bischof Otto. 

Was es aber auch braucht, das ist der Mut, über den eigenen Glauben offen und ehrlich zu sprechen – über das, was mich trägt im Alltag, aber auch was mir schwerfällt und Zweifel in mir aufkommen lässt. Ohne das wird die Glaubensweitergabe nicht gelingen können, heute genauso wenig wie zu Zeiten des hl. Otto. 

Eines aber müssen wir uns auch klarmachen: Die Weitergabe des Glaubens bleibt immer eine herausfordernde und anstrengende Aufgabe. Das erging Bischof Otto von Bamberg nicht anders. Zweimal musste er sich auf die beschwerliche Reise nach Pommern begeben, weil schon nach vier Jahren viele wieder zu den alten Bräuchen zurückgekehrt waren und immer noch so viele auf die Begegnung mit Christus warteten. Auch im alltäglichen Geschäft der Seelsorge gibt es meist nicht den großen, dauerhaften Erfolg, gibt es Rückschläge und Enttäuschungen und die Notwendigkeit, immer wieder neu anzufangen. Es gibt das Wort: Erfolg ist keiner der Namen Gottes, und das stimmt. Wo jemand in seiner Glaubensverkündigung ständig nur Erfolge vermeldet und wachsende Massen verzeichnet, dort muss uns das zumindest fragen lassen: Wird da tatsächlich der Herr Jesus Christus verkündet oder arbeitet da nicht vielleicht doch jemand in die eigene Tasche, für das eigene Prestige, das große Ego? Vielleicht erweist sich manchmal wirklich erst 900 Jahre später, ob jemand im Geiste Jesu Christi erfolgreich war, so wie der hl. Bischof Otto von Bamberg. Vielleicht zeigt sich erst im Rückblick, ob jemand den Auftrag Jesu im letzten Satz des heutigen Evangeliums wirklich angenommen und im Leben umgesetzt hat: Habt Salz in euch, und haltet Frieden untereinander!