Erzbischof Gössl: „Friede ist nicht allein das Fehlen von Krieg“

Nürnberg. Anlässlich des dritten Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine hat sich der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl für eine tiefgehende und geduldige Friedensarbeit ausgesprochen. In einem Gedenkgottesdienst am Sonntag in der Pfarrkirche Heilige Familie in Nürnberg-Reichelsdorf erklärte Gössl: „Auch wenn die Kampfhandlungen eingestellt werden, wenn sogenannte Friedenstruppen die Grenzen sichern und irgendwelche Autokraten dieser Welt bestimmen, dass Friede ist, ist noch lange kein Friede.“
Der brutale Krieg in der Ukraine, der vor drei Jahren durch einen „völlig unrechtmäßigen und sinnlosen Überfall“ begann, habe unermessliches Leid über das Land und seine Menschen gebracht. Der Erzbischof sprach von zigtausenden Todesopfern und Verletzten, traumatisierten Soldaten sowie zerrissenen Familien. „Wie viel Leid, Wut und Entsetzen wurden seither entfesselt, wie viel Hass und Rachegefühle in die Herzen der Menschen ausgesät.“
Gössl betonte, dass Friede nicht allein das Fehlen von Krieg sei. „Damit wirklich Friede wachsen kann, braucht es als Grundlage das ehrliche Bemühen um Gerechtigkeit, und das ist sehr anstrengend und kräftezehrend“, erklärte der Erzbischof. „Was Gerechtigkeit ist, darüber gibt es immer sehr unterschiedliche Meinungen. Da muss man erst einmal einander zuhören. Es braucht am Ende sicher auch Kompromissfähigkeit, aber die Basis von allem muss das Streben nach Gerechtigkeit sein. Anders kommt Frieden nicht zustande.“
Friedensarbeit sei ein langer, niemals endender Prozess. Aufgrund von Vorurteilen und Fake News würden Bündnisse und Freundschaften zerbrechen. Kriege würden lange durch Propaganda vorbereitet, warnte Gössl. „So erst werden Menschen fähig, aufeinander zu schießen und auf Wohngebäude, Schulen und Krankenhäuser Bomben zu werfen. Oft werden diese Gegner schon jahrelang vorher mit Worten in den Schmutz gezogen, in Gedanken vernichtet, damit ein Feindbild entsteht, das einen Krieg erst möglich macht.“
Diese Wunden der Seelen zu heilen, brauche unendlich viel Zeit, Geduld und Liebeskraft. „Das gelingt nur durch persönliche Begegnungen, die nicht von Propaganda gesteuert und verseucht sind. Der Andere muss als Mensch und nicht als Feind in den Blick kommen, damit dauerhafter Friede wachsen kann. Und das ist wirklich eine Heldenaufgabe“, sagte Gössl. Der irdische Friede, der seinen Ursprung in der Liebe zum Nächsten habe, sei auch Abbild des Friedens, den Christus gebracht habe und der von Gott ausgehe, so der Erzbischof.
Im Anschluss an den Gedenkgottesdienst lud die Ukrainische Gemeinde die Besucherinnen und Besucher zu einem Empfang mit traditionellen Speisen ein. Zudem wurde eine Ausstellung mit Bildern zum Gedenken an die Opfer des Krieges gezeigt. Musikalisch begleitet wurde der Tag durch das Projekt „Ukrainischer Lebensmut“.