Bamberger Dom:Predigt zum Heinrichsfest
„Man gönnt sich ja sonst nichts.“ - Dieser Satz, vorgetragen mit einem Augenzwinkern - hat Kultstatus. Wer so spricht, der meint eigentlich: Ich lasse es mir schon ganz gern gut gehen und nehme auch diese kleine Köstlichkeit, die sich mir gerade bietet, noch mit. Ich lebe gerne und gut, als ob es kein Morgen gäbe, und ich lasse mir diesen Genuss auch nicht vermiesen von irgendwelchen Nörglern und Kritikern. Gerade an einem Festtag wie heute leben vielleicht sogar viele nach diesem Motto: Man gönnt sich ja sonst nichts. Es ist katholische Tradition, Feste als Feste zu feiern und es sich dabei auch gut gehen zu lassen. Wer will da etwas dagegen haben?
Wir feiern das Fest unseres Bistumsgründers, des hl. Kaisers Heinrich II., und wir tun das in diesem Jahr mit besonderer Intensität, mit einem großen Festprogramm, denn heuer jährt sich der Todestag des Kaisers zum 1000. Mal. Das ist schon was, und ich freue mich sehr und bin dankbar für die vielen guten Ideen, die zur Feier dieses Gedenkjahres entstanden sind und die auch ins Festprogramm Eingang gefunden haben. In all dem wird eine Verbundenheit mit dem hl. Kaiser Heinrich spürbar, und eine tiefe Dankbarkeit, die ihm bis heute für die Gründung des Bistums Bamberg entgegengebracht wird. Ob man ohne diese Initiative Kaiser Heinrichs vor über 1000 Jahren heute überhaupt von einer Stadt-Geschichte Bambergs sprechen könnte, ist zumindest unsicher. Von daher haben wir allen Grund, heute zu feiern und diesen Tag zu genießen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Da wirkt das Evangelium des heutigen Sonntags nun allerdings schon wie ein gewisses Kontrastprogramm. Die Aussendung der Zwölf Apostel mit nichts außer einem Wanderstab und dem, was sie am Leibe tragen, hört sich eher nach Hardcore-Christentum an, weniger nach Festesfreude und gemütlichem Beisammensein. Diese Boten tragen sozusagen am eigenen Leib die ganze Strenge und die drängende Mission, die ihnen aufgegeben ist. Die Menschen, zu denen sie kommen, sollen vom ersten Moment an spüren: Hier geht es um etwas Wichtiges, Drängendes, Entscheidendes. Hier geht es um Leben und Tod - um nicht weniger. Das Motto dieser Boten lautet nicht: Man gönnt sich ja sonst nichts. Viel eher könnte es heißen: Gönnt euch nicht zu viel! Haltet Maß! Kehrt um zum Herrn, eurem Gott, und rechnet mit IHM in eurem Leben. Denn ER ist die Wirklichkeit schlechthin, viel wirklicher als alles, was ihr euch leisten oder erwerben könnt. ER ist das Leben, und wenn ihr Leben sucht, dann sucht es nicht in vergänglichen Vergnügungen, sondern sucht es bei dem, der die Quelle allen Lebens ist. Mit dieser Botschaft sendet Jesus sein Jünger aus. Sie tragen die Begrenztheit ihres irdischen Lebens am eigenen Leib, damit deutlich wird: Leben hat für sie eine andere, tiefere, umfassendere Grundlage. Leben empfangen wir von dem lebendigen Gott allein.
Diese Botschaft hat auch Kaiser Heinrich II. bewegt und umgetrieben. Sie war die tiefste Triebfeder, für die Gründung von Kirchen und Diözesen, auch des Bistums Bamberg. Die Menschen sollten erfahren, wer der Grund allen Lebens ist. Sie sollten die Gegenwart des lebendigen Gottes feiern in der Liturgie. Und sie sollten spüren, dass sich der Schöpfer allen Lebens auch sorgt um das irdische Leben seiner Geschöpfe, um das tägliche Brot und um die Gesundheit des Leibes. So war mit der Gründung von Kirchen immer auch die Einrichtung von Schulen, die Ausstattung mit liturgische Büchern und Geräten verbunden sowie die Förderung caritativen Engagements. Weil Kaiser Heinrich ganz fest mit der Wirklichkeit des ewigen Lebens gerechnet hat, darum konnte er sich mit aller Kraft und Energie für diese irdischen Belange einsetzen, ohne Rücksicht auf sich selbst und auf die eigene Gesundheit zu nehmen.
„End-lich Leben.“ Dieses Motto in seiner ganzen Doppeldeutigkeit haben wir als Erzbistum - schon im Hinblick auf den 1000. Todestag Kaiser Heinrichs - über dieses Jahr gesetzt. „End-lich Leben“ gibt etwas wieder von der Lebens- und Glaubenshaltung des Heiligen, der als Kaiser ganz sicher mit beiden Beinen auf der Erde stand und Realpolitik betrieb, aber zugleich mit dem Haupt auf den Himmel ausgerichtet war, auf Gott, vor dem er das Haupt beugte. So können wir von Kaiser Heinrich an seinem 1000. Todestag lernen, was es heißt, mit der Endlichkeit zu leben, denn nur so werden wir in eine gute Zukunft kommen. Das wird uns angesichts der aktuellen Probleme auch sehr bewusst: Endlich sind die Ressourcen unserer Erde, unsere finanziellen Möglichkeiten, endlich die Zeit, endlich die Möglichkeit, Beziehungen und Freundschaften ernsthaft zu pflegen. Endlich ist meine Geduld, meine Leistungsfähigkeit, meine Gesundheit. Alle Versuche, diese Realität zu verändern, werden scheitern und müssen scheitern, denn gegen die Wirklichkeit kann niemand leben.
Doch wir können von Kaiser Heinrich auch lernen, wie es gelingen kann, endlich und zugleich erfüllt zu leben. Der christliche Glaube öffnet uns die Tür zu einem Horizont, der un-endlich ist, zu einem Leben, das alle unsere Sehnsucht nach Frieden / Gerechtigkeit / Geborgenheit und Zukunft erfüllt. Ja, das ist endlich Leben wie wir es erhoffen - für uns und unsere Lieben: Leben in Fülle, Leben ohne Ende, Leben in Gott!
Und dieses Leben ragt schon jetzt in das Leben der Glaubenden hinein und gestaltet es um zu einem Leben in Hoffnung und Zuversicht. So wirkt der Heilige Geist, der - nach den Worten der Lesung aus dem Epheserbrief - „der erste Anteil unseres Erbes“ ist; der uns also jetzt schon mit dem verbindet, was wir einmal in ganzer Fülle und in voller Klarheit empfangen sollen.
Schauen wir daher voll Dankbarkeit auf die vielen Zeichen der Hoffnung und des Lebens, die in unseren Pfarreien und Verbänden, in den Ordensgemeinschaften und in den neuen geistlichen Bewegungen da sind. Ja, wir haben als Kirche dieser Welt viel zu bringen, auch heute, vielleicht sogar gerade weil wir die Endlichkeit unserer irdischen Möglichkeiten so deutlich spüren. Aber wir leben aus einer Quelle, die nicht wir sprudeln lassen, sondern der lebendige Gott, der beschlossen hat, die Fülle der Zeit heraufzuführen und alles, Himmel und Erde, in Christus, dem Haupt, zusammenzuführen. Das ist eine Perspektive, die sonst niemand uns geben kann. Das ist endlich Leben, wie es im Buche steht. Und das zu feiern, das dürfen wir uns heute und hier von Herzen gönnen.