Bamberger Dom :Predigt zum Heinrichsfest
Was mir im Blick auf Kaiser Heinrich II. als erstes einfällt, das ist der Begriff Verantwortung. Ja, unser Bistumspatron hat zu seiner Zeit Verantwortung übernommen für ein Reich, das sehr viel größer war als das heutige Deutschland. Er war an äußerst verantwortlicher Position als Kaiser, zusammen mit seiner Frau, Kaiserin Kunigunde. Ihnen war viel anvertraut an Talenten, viel Macht war ihm in die Hände gelegt und er nutze sie und baute sie aus, er vermehrte die ihm anvertrauten Talente - ganz im Sinne des Evangeliums.
Die Frage ist nur: Für wen hat er das getan? Wem gegenüber war Kaiser Heinrich verantwortlich? Viele Herrscher hatten ihre Familie im Blick, sorgten für ihre Nachkommen und fühlten sich ihnen gegenüber verantwortlich in ihren Entscheidungen und Taten. Doch Kaiser Heinrich und Kaiserin Kunigunde wussten schon sehr bald, dass ihnen keine Kinder geschenkt werden. Sie wussten sich zuerst und vor allem Gott gegenüber verantwortlich, und diese Haltung prägte und bestimmte ihr ganzes Leben. Verantwortung vor Gott - das zeichnete Kaiser Heinrich aus und das macht ihn schließlich auch zu einem Heiligen, also zu einem Menschen, der schon zu Lebzeiten versucht hat, ganz in der Ausrichtung auf Gott zu leben und aus dieser Verantwortung heraus Entscheidungen zu treffen.
Mit unschöner Regelmäßigkeit werden wir mit dem Kulturkampf-Thema „Kreuz in öffentlichen Gebäuden“ konfrontiert; gerade wieder durch das Urteil eines hohen Gerichtes gegen das Anbringen eines Kreuzes im Eingangsbereich einer Schule. Dass es Interessengruppen gibt, die immer wieder gegen das Kreuz in den Kampf ziehen, ist in meinen Augen normal. Das Kreuz ist immer schon ein Ärgernis gewesen und bis heute geblieben. Das Kreuz ist das Zeichen der unendlichen Toleranz unseres Gottes und seiner unerschöpflichen Liebe zu allen Menschen. Wenn mich etwas immer wieder zutiefst fasziniert und packt, dann ist es, dass Gott uns Menschen immer wieder trotz unserer Geschichte nicht aufgegeben hat. Diese Toleranz Gottes zeigt sich im Kreuz. Schon immer hat das Kreuz daher Gegner gefunden bei Menschen, denen diese Werte völlig fernliegen. Für mich ist das Kreuz in der Öffentlichkeit das Zeichen, das uns an unsere menschliche Verantwortung Gott gegenüber erinnert und uns mahnt, ihm in gelebter Toleranz und Menschenliebe nachzufolgen. Und ich danke daher ausdrücklich allen demokratisch gesonnenen Menschen, die sich in Politik und Gesellschaft für den Verbleib der Kreuze in der Öffentlichkeit einsetzen. Freilich sehe ich die Entwicklungen, dass die Menschen in unserem Land sich immer mehr vom christlichen Glauben entfernen, ja mit einem persönlichen Gott, dem gegenüber ich für mein Tun und Lassen verantwortlich bin, immer weniger anfangen können. Vielleicht gehen wir auf Zeiten zu, in denen die Kreuze in der Öffentlichkeit ganz und gar verboten werden. Aber ich bin überzeugt, dass sich diese Zeiten dann nicht durch ein Mehr, sondern durch ein Weniger an Toleranz und Menschlichkeit auszeichnen werden.
(Als Ergebnis eines Gespräches zwischen Erzbischof Gössl und Frau Prof. Brosius-Gersdorf wurde der ursprünglich an dieser Stelle stehende Absatz der Predigt aus dem Manuskript entfernt.)
Ich möchte mir nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. Dann haben die Schwächeren keine Stimme mehr: nicht die Ungeborenen und nicht die pflegebedürftigen Alten; nicht die psychisch Kranken und auch nicht die sozial Schwachen; nicht die Menschen, die sich aufgrund von Krieg und Verfolgung auf die Flucht begeben und auch nicht die Natur, die gewissenlos ausgebeutet und zerstört wird. Die gelebte Verantwortungslosigkeit gegenüber Gott führt direkt zur Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Mitmenschen und gegenüber der Schöpfung, die uns allen miteinander anvertraut ist.
Unser Bistumspatron, der heilige Kaiser Heinrich, hat sein Leben ganz und gar in Gott verankert, nicht in seiner Nachkommenschaft (die er nicht hatte), nicht in seinem Reichtum und auch nicht in seinen Taten, die - in ihrer ganzen menschlichen Begrenztheit - auch von Sünden verletzt waren. Auf dem Kaisergrab im Dom hat Tilman Riemenschneider die sogenannte Seelenwägung dargestellt, also den Akt des Gerichts nach dem Tod, in dem die Verfehlungen des Kaisers durch sein gläubiges Vertrauen und seine daraus folgenden guten Taten aufgewogen werden. Kaiser Heinrich fühlte sich in dem, was er tat, Gott gegenüber verantwortlich. Er hat sein Leben in Gott festgemacht und wurde so zu einem Hoffnungszeichen bis heute, vor allem für die Menschen, die politische und gesellschaftliche Verantwortung in dieser Welt übernehmen.
In diesem Heiligen Jahr geht er uns als Pilger der Hoffnung voran und begleitet uns in unseren Fragen und Sorgen.
Heiliger Kaiser Heinrich, du Schutzpatron der Kirche von Bamberg: Bitte für uns an Gottes Thron!
Es gilt das gesprochene Wort.