Bamberger Dom:Predigt zur Diakonenweihe
„Es ist ein Kreuz mit den Menschen!“ - so möchte man sicher manchmal verzweifelt ausrufen im Blick auf die allgemeine Weltlage / auf das Verhalten so vieler, die in der politischen, kirchlichen oder sonstigen Öffentlichkeit stehen, aber auch im Blick auf so manche, denen wir begegnen und mit denen wir zu tun haben und über die wir uns wundern oder ärgern. Ja, es ist schon oft ein Kreuz mit den Menschen, und ich frage mich immer wieder, wie Gott das nur aushält / wie er uns aushält mit all den Selbstsüchteleien, die unser Zusammenleben oft so belasten, mit allem Streit und Neid, mit allen Verletzungen, die wir einander andauernd zufügen, mit all den Kriegen und Zerstörungen, die wir über diese Erde bringen. Es ist ein Kreuz mit den Menschen, und wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass jede/jeder von uns zu diesen Menschen gehört, dass wir alle an dem Kreuz mitbeteiligt sind, das wir einander aufbürden und zumuten.
Es ist aber auch - oft und oft - ein Kreuz mit unserem Gott, den wir nicht begreifen, wenn schwere Schicksalsschläge Menschen treffen, Naturkatastrophen, für die kein Mensch etwas kann, bedrohliche Krankheiten, Todesfälle - viel zu früh, aus heiterem Himmel.
Wie kann Gott das zulassen - so fragen auch Menschen, die glauben. Eigentlich können nur gläubige Menschen ernsthaft so fragen. Es war eine der ersten, wenn nicht die erste Frage, die mir ein Ministrant bei der Wallfahrt in Rom gestellt hat: „Warum lässt der gute Gott das Böse und das Leid so vieler Menschen in der Welt zu?“ Und das ist genau die Frage, auf die es keine zufriedenstellende Antwort gibt, die aber eben gerade gläubige Menschen beschäftigt und umtreibt. Ja, es ist ein Kreuz mit unserem Gott, der sich so bedeckt hält / sich so zurückhält / so viel aushält und auf diese schwierige Frage keine verständliche Antwort gibt. Die einzige Antwort, die wir haben, gibt der Herr im heutigen Evangelium: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass es seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
Das Kreuz des Erlösers ist die Antwort Gottes auf die Frage nach dem Sinn all der Kreuze, die uns bedrücken und die wir einander aufbürden. Geheimnis nur betend und staunend annähern, nicht begreifen. Wie die Kupferschlange, zu der die Israeliten in der Wüste aufblickten, diese vor dem Gift der vielen Schlangen bewahrte, so bewahrt der Blick auf das Kreuz des Erlösers vor der Verzweiflung über die Kreuze, die uns das Leben schwermachen. Denn das Kreuz Christi steht für die Liebe Gottes mit der dieser die ganze Welt retten will. Das Kreuz steht für den Aufstieg zu Gott, der aber nur über den Abstieg in die Niederungen des Lebens gelingt. „Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.“ Das ist die Antwort Gottes auf die Frage nach dem Leid: Die Bereitschaft, selbst aus Liebe in das Leid und in die Schmerzen dieser Welt hinabzusteigen durch das Kreuz seines Sohnes. Gott ist nicht fern und allem Leid entrückt, sondern er ist uns nahe im Leid, weil er in seinem Sohn herabgestiegen / uns nahegekommen ist. Ja, es ist ein Kreuz mit unserem Gott, ein Kreuz, auf das wir schauen dürfen und das uns eine Ahnung vermittelt von der Liebe und Zuwendung unseres Gottes, die uns alle im Leben hält.
Lieber Marco,
das Kreuz ist Ihnen in Ihrem Leben und in Ihrem Glauben vertraut. Es war Ihr ausdrücklicher Wunsch, in diesem Weihegottesdienst die Texte vom Fest Kreuzerhöhung zu nehmen. Und für die Titelseite des Liedblattes haben Sie eine eindrückliche Kreuzesdarstellung gewählt: Ein Kreuz - rau und steinig, so wie es unser Leben oft ist; aber eben auch angehaucht vom Goldglanz Gottes, der durch das Kreuz sagt: Ich bin dir nahe.
Wenn Sie heute durch die heilige Weihe von Gott in Dienst genommen und als Diakon ausgesandt werden, dann vor allem zur Verkündigung dieser Frohen Botschaft in Wort und Tat. Sie werden durch das Sakrament der Weihe zu einem Boten der Kreuzesbotschaft und damit zu einem Vermittler von Hoffnung und Zuversicht. Je mehr Sie sich in Dienst nehmen lassen und damit das Herabsteigen des Herrn in die Niederungen des Alltags nachvollziehen, umso mehr nähern Sie sich auch dem Himmel an, der heilsamen, rettenden, tragenden Liebe unseres Gottes. Das gilt ganz konkret. Sie werden Diakon und Sie bleiben Diakon und Sie stellen damit sakramental dar, dass der Weg zum Ziel nicht durch ein Streben nach oben führt, nicht durch einen Kampf um die ersten Plätze mit Ellenbogen-Einsatz. Nein, der Weg zum Ziel in der Nachfolge des Herrn ist ein Weg nach unten / ein Hinabsteigen, um mit all jenen auf Augenhöhe zu kommen, die leiden, die auf der Flucht sind vor Gewalt und Krieg, die krank sind oder aus anderen Gründen verzweifelt, die dem Tod nahe sind und Ängste haben. Sie verkünden die Frohe Botschaft vom Kreuz durch Ihre glaubensstarken Worte in der Predigt und in der Katechese, vor allem aber durch die Haltung, mit der Sie Menschen begegnen, gerade auch den Schwierigen und Anstrengenden. So machen Sie durch Ihre Verkündigung deutlich, dass Gottes Liebe stärker ist als alle Bosheit und alle Dunkelheit, die durch menschliche Schuld in diese Welt getragen wird. So kann die Hoffnung wachsen und mit ihr der Mut, immer wieder neu Schwierigkeiten anzugehen und Probleme zu lösen. So kann auch auf den schlimmsten Kreuzen der göttliche Glanz durchschimmern, der uns immer wieder aufrichtet und Kraft vermittelt. So können wir einstimmen in den geradezu trotzigen Lobgesang auf das Kreuz des Erlösers: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.