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„Wir müssen schauen, was noch sinnvoll ist“

Erzbischof Herwig Gössl im Interview
Datum:
Veröffentlicht: 25.3.25
Von:
Andreas Kuschbert / Heinrichsblatt

Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken / Gedankenaustausch mit Erzbischof Herwig Gössl

Vierzehnheiligen. Rund 60 Mitglieder des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Bamberg kamen zur Frühjahrsvollversammlung des Gremiums in den Bildungs- und Tagungshäusern Vierzehnheiligen zusammen. Einer gute Tradition folgend, feierte Erzbischof Herwig Gössl mit den Diözesanräten am Samstag einen Gottesdienst in der Basilika Vierzehnheiligen, ehe er sich im Anschluss viel Zeit nahm, um mit den Rätinnen und Räten ins Gespräch über wichtige Themen im Erzbistum ins Gespräch zu kommen.

Angesichts der seit Jahren laufenden Verwaltungsreformen, die als notwendig und sinnvoll erachtet wurden, kam jedoch die Frage auf, wann man sich als Kirche wieder intensiv mit Glaubensthemen befasse. Nach den Worten von Erzbischof Herwig schieben sich auch in der Bischofskonferenz viele Themen in den Vordergrund, während andere am Rand bleiben. „Ich sehe es jedoch als sehr wichtig an, dass Jeder und Jede in bedrängten Situationen einen festen Glauben hat.“ In diesem Zusammenhang verwies der Bamberger Oberhirte auf Initiativen des Seelsorgeamtes zur Glaubensstärkung.

Der Erzbischof betonte aber auch, dass strukturelle Fragen nicht losgelöst werden können von pastoralen Fragen. Gössl: „Angesichts der derzeitigen Situation des Erzbistums muss man schauen, was man wirklich braucht und was sinnvoll ist.“ Er verwies aber auch darauf, dass er in manchen Gemeinden nur wenig Bereitschaft vorfindet, sich pastoralen Fragen zu stellen, sondern auf dem eigenen Standpunkt beharrt werde, „trotz weniger Geld und weniger pastoralem Personal“.

Ehrenamtliche übernehmen künftig mehr Aufgaben

Angesichts des immer weniger werdenden pastoralen Personals wurde von Seiten der Diözesanräte betont, dass in Zukunft die Ehrenamtlichen immer mehr Aufgaben übernehmen müssten, um die Kirche vor Ort am Leben zu erhalten. Dies würde man auch gerne übernehmen, müsse jedoch entsprechend gefördert und unterstützt statt ausgebremst zu werden. So könne es nach Aussage einer Diözesanrätin nicht sein, dass sie zum Kopieren von wichtigen Unterlagen ins entfernte zentrale Pfarrbüro fahren müsse, da das eigene Pfarrbüro vor Ort nur noch an einem Tag geöffnet sei. „Am Ende drucke ich es halt selber bei mir zuhause aus“, so ihre Aussage.

Auch wurde angeregt, die Angebote in den Gemeinden zu überdenken, um so auch für jüngere Menschen und Familien die Kirche attraktiver zu machen. „Das ist seit jeher ein Thema“, konstatierte Erzbischof Herwig dazu. Schon zu seiner Zeit als Pfarrer habe er Jugendgottesdienste erlebt, die mit großem Engagement von Jugendlichen vorbereitet wurden, am Ende aber trotzdem vor allem ältere Gemeindemitglieder im Gottesdienst waren. Gössl: „Es ist eine mühsame Arbeit. Am besten wäre es, wenn Jugendliche, die kirchlich engagiert sind ihresgleichen ansprechen und für die Kirche werben.“

Entschieden wandte sich der Erzbischof gegen den Vorwurf, am Domberg gebe es zu viele Priester, während sie auf dem Lande fehlten. „Eine solche Aussage ist einfach falsch und wird nicht richtiger, wenn sie immer wieder wiederholt wird.“ Vielmehr seien von den derzeit elf Domkapitularen mit Generalvikar Prälat Georg Kestel, Seelsorgeamtsleiter Martin Emge, Domdekan Dr. Hubert Schiepek und Dompfarrer Dr. Markus Kohmann gerade mal vier Domkapitulare vor Ort. „Doch auch sie helfen immer wieder in den Gemeinden aus, ebenso wie die emeritierten Domkapitulare, solange es deren Gesundheit zulässt.“

Nachdrücklich sprach sich Erzbischof Herwig dafür aus, in den Gemeinden vermehrt Wortgottesleiter einzusetzen, wenn es am pastoralen Personal fehlt. „Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, denn diese Frauen und Männer sind gut ausgebildet.“ Zugleich räumte er ein, dass sich gerade traditionell Geprägte Gemeinden schwerer damit tun, Wortgottesleiter einzusetzen.

Präsenz von Kirche in Schulen und Kindergärten

Angesprochen wurde bei dem Gedankenaustausch auch die Präsenz von Kirche in Schulen und Kindergärten, da diese doch wichtige Orte seien, um die Kinder und Jugendliche in Verbindung mit der Kirche zu bringen. Erzbischof Herwig sagte dazu, dass es schön wäre, wenn Kirche in diesem Bereich präsent wäre, „aber es wird immer schwieriger, in den Kindergärten das passende Personal zu finden, das zumindest kirchlich angehaucht ist“. Ähnlich sei die Lage in der Schule. Neben den immer weniger werden Priestern, die Religionsunterricht erteilen, gehe auch die Zahl der pastoralen Mitarbeiter in den nächsten Jahren drastisch zurück.

In diesem Zusammenhang sagte der Erzbischof, dass Religionsunterricht gut und wichtig sei, „aber wenn das, was dort vermittelt wird, nicht im Leben und den Familien abgebildet wird, dann bringt es überhaupt nichts“. Das habe er selber als Religionslehrer des öfteren erlebt. „Es braucht auch die Glaubensschule in den Familien.“

Hintergründe zum Gebäudekonzept

Stellung bezog Erzbischof Gössl auch zu dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Gebäudekonzept für das Erzbistum. Jetzt müssten sich nach seinen Worten die Verantwortlichen in den Seelsorgebereichen zusammensetzen und überlegen, was aus dem Gebäudebestand wirklich noch benötigt werde. Mit Blick auf die künftige Bezuschussung erklärte Gössl, dass man als Ordinariat nur das Geld weitergeben könne, was man auch wirklich habe, „denn wir wollen das Bistum finanziell nicht vor die Wand fahren“. Zugleich appellierte er an die Verantwortlichen vor Ort zu schauen, wie die Pastoral trotz veränderter Rahmenbedingungen auch in Zukunft gut gelingen könne.

Erzbischof Herwig: „Selbst, wenn ein Gemeindezentrum geschlossen werden muss, bedeutet das doch nicht, dass das kirchliche Leben nicht mehr stattfinden kann. Es sollte vielmehr überlegt werden, wo man sich stattdessen treffen kann. Und das kann dann auch dazu führen, dass sich kirchliche Gruppen eben nicht mehr in den eigenen vier Wänden treffen, sondern hinausgehen und als Kirche dann mitten im Leben sind.“